Stilfragen

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Einer muss sich quälen: der Autor oder der Leser. – Vermeiden Sie typische Fehler und beherzigen Sie einige Regeln für bessere Texte.

 

Im Jurastudium lernt man den Gutachtenstil. Guter Stil steht meist nicht auf dem Lehrplan. Von Regeln dafür unbelastet, schaffen daher gerade Juristen oft Texte, welche die Sünden enthalten, die man gern mit Bürokratendeutsch bezeichnet. Zwar sind alle Juristen daran gewöhnt und somit stilistisch strapazierbar, doch eine flüssige Lektüre macht jeden Leser gewogen. Daran sollte man besonders bei Texten denken, die benotet werden.

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Typische Stilfehler

Texte werden verständlicher, wenn man Stilfehler vermeidet. Vier typische Fälle seien hier erwähnt (die Beispiele sind abgewandelte Fundstücke):

Das Prädikat ist die Kernaussage des Satzes und wird von den Wörtern gebildet, in denen die Handlung steckt. Besteht das Prädikat aus zwei Wörtern, werden die beiden Prädikatsteile oft getrennt, teils durch lange Passagen. Die Grammatik erlaubt das. Vermeiden sollte man es dennoch.

Beispiel:

› Hier ist insbesondere auf die Klage gegen eine Fahrtenbuchanordnung sowie auf den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle der behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO) einer Fahrtenbuchanordnung einzugehen. ‹

Besser:

› Einzugehen ist hier insbesondere auf die Klage gegen eine Fahrtenbuchanordnung sowie auf den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle der behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO) einer Fahrtenbuchanordnung.

Hat man von Ihnen schon einmal eine »Rückantwort« erwartet, obwohl das »Rück…« überflüssig ist, weil eine Antwort immer zurück an den Fragesteller geht? »Rückantworten« findet man im gesprochenen und geschriebenen Deutsch häufiger, als man denkt. Man nennt sie Tautologien (oder auch Pleonasmen). Manche Fälle sind deutlich („alter Greis“), andere sind subtiler. In der Regel sind sie, gerade in wissenschaftlichen Texten, überflüssiger Wortschaum.

Beispiele:

„die Fähigkeit oder Möglichkeit, etwas tun zu können“,  „der Zwang oder die Pflicht, etwas tun zu müssen“,  „das Recht oder die Erlaubnis, etwas tun zu dürfen“,  „vgl. ferner auch“,  „ich bleibe weiter dabei, dass“,  „ein weiterer Faktor ist auch“, „nach wie vor gibt es immer noch“.  Es wird auch schon mal ein „intendierter Regelungszweck verfehlt“ und immer wieder ist der „konkrete Einzelfall zu beurteilen“. Oder es „zeigt ein Beispiel exemplarisch“, dass ein „disponibler Zeitüberfluss“ „bereits vorvorhanden“ ist, „zwischen 5 bis 10 %“.

Maximal zwölf Silben darf die Unterbrechung eines Satzes lang sein, damit ein Durchschnittsleser nicht zurücklesen muss! Man sollte seine Gedanken also tunlichst nacheinander formulieren und nicht durcheinander. Zum Verschachteln werden neben Kommas vor allem Gedankenstriche genutzt, aber auch runde und eckige Klammern. Knapp und maßvoll sind Einschübe erlaubt.

Wird ein Satz unübersichtlich, sollte man ihn umformulieren

Beispiel:

› In diesem Fall muss – wenn überhaupt, etwa zur Fristwahrung, Klage erhoben wurde – die Erledigterklärung (oder wahlweise die Rücknahme, die den Vorteil der Kostenersparnis im Falle des Unterliegens hat, allerdings auch den Nachteil, dass nicht, wie im Falle der Erledigterklärung, auch eine günstige Kostenentscheidung möglich ist, da im Falle der Rücknahme der Kläger immer die Kosten trägt, § 155 Abs. 2 VwGO) nicht erst nach Ablauf des angeordneten Zeitraums erfolgen, sondern sie kann schon vorher erfolgen. ‹

Besser:

› In diesem Fall und vorausgesetzt, es wurde überhaupt, etwa zur Fristwahrung, Klage erhoben, muss der Rechtsstreit nicht erst nach Ablauf des angeordneten Zeitraums für erledigt erklärt werden; dies kann schon vorher geschehen. Gleiches gilt für die Klagerücknahme. Diese hat den Vorteil der Kostenersparnis im Falle des Unterliegens, allerdings gegenüber der Erledigterklärung auch den Nachteil, dass keine günstige Kostenentscheidung möglich ist, denn der Kläger trägt im Fall der Rücknahme immer die Kosten (§ 155 Abs. 2 VwGO). ‹

Man kann auch ohne Satzzeichen verschachteln

Beispiel:

› Unstreitig ist die Klägerin bei dem durch den bei der Beklagten versicherten Wagen verursachten Unfall schwerstens verletzt worden. ‹

Besser:

› Unstreitig ist die Klägerin bei dem Unfall durch den Wagen, der bei der Beklagten versichert ist, schwerstens verletzt worden. ‹

In der Champions League der Verschachteler spielt auch der EuGH. Er zeigt im folgenden Leitsatz zudem, wie man Hauptaussagen zu Nebensätzen machen kann (der Hauptsatz ist kursiv):

Art. 7 MRRL ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke es einem Werbenden nicht verbieten kann, anhand eines mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens, das der Werbende ohne Zustimmung des Markeninhabers als Schlüsselwort im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für den Wiederverkauf von Waren zu werben, die von dem Markeninhaber hergestellt und von ihm oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht wurden, sofern nicht ein berechtigter Grund im Sinne von Art. 7 Abs. 2 MRRL, der es rechtfertigt, dass sich der Markeninhaber dem widersetzt, gegeben ist, wie eine Benutzung des Zeichens, die die Vorstellung hervorruft, es bestehe eine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber, oder eine Benutzung, die den Ruf der Marke erheblich schädigt.“ (EuGH, Urt. v. 8.7.2010, C-558/08 – Portakabin / Primakabin)

Den sog. Nominalstil findet man oft in juristischen Texten. Man kann fragen: Was spricht gegen Substantive? Viel vor allem dann, wenn sie das Prädikat ersetzen. In diesem Fall muss nämlich ein Verlegenheitsverb aushelfen, und das macht Sätze kraftlos: Wer nicht einkaufen will, muss „Einkäufe tätigen“, wer eine Straftat nicht anzeigen will, muss diese „zur Anzeige bringen“, wer nicht messen, testen oder ermitteln will, muss „Messungen, Tests oder Ermittlungen durchführen“. Wer also allgemein nicht handeln will, muss „Handlungen vornehmen“. Der Nominalstil unterschlägt zudem häufig (bewusst?) das Wichtigste, nämlich WAS zum Beispiel eingekauft oder gemessen, getestet, ermittelt wird.

• Bei vielen -ung-Lauten im Text sollte man daher misstrauisch werden und umformulieren.

Beispiel:

› Mobbing am Arbeitsplatz sind Verhaltensformen, durch die eine Erschwerung der für die Persönlichkeitsentfaltung und die Einhaltung der Menschenwürde maßgeblichen Arbeitsbedingungen oder der sachwidrige Einsatz dieser Arbeitsbedingungen als Mittel der Zermürbung und Entwürdigung zulasten von Beschäftigten erfolgt. ‹

Einfacher:

› Mobbing am Arbeitsplatz sind Verhaltensweisen, die es den Beschäftigten erschweren, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten, und die ihre Menschenwürde beeinträchtigen. Gemobbt werden Beschäftigte dadurch, dass man sie zermürbt und demütigt. ‹

• Auch bei -heit oder -keit sollte man wachsam sein.

Bei mir sorgen Räumlichkeiten in Baulichkeiten für Empfindlichkeiten bezüglich bestimmter Begrifflichkeiten.

 

Vier Grundregeln für bessere Texte

Wer gut schreiben will, kann viele Dinge im Detail beachten (siehe dazu die Literatur-Tipps). Die folgenden vier Regeln sollte man beim Schreiben immer im Blick behalten:

Schreibe einfach. Schwierig werden juristische Texte von allein, wenn der Gegenstand kompliziert ist. Eine klare und einfache Sprache ist ein Zeichen für Souveränität im Umgang mit der Sache. Wann immer möglich, sollte man daher Einfaches auch einfach sagen.

Beispiel:

› Die Durchführung der Reparaturmaßnahmen ist mit hohen Kosten und großem Zeitaufwand verbunden. ‹

Einfach:

› Die Reparaturen sind teuer und dauern lange. ‹

Schreibe prägnant. Mit anderen Worten: Lass weg, was überflüssig ist. Erste Fassungen sind selten prägnant, in der Regel muss man einen Text trimmen. Beispiele für fehlende Prägnanz gibt es viele. Dazu gehören die oben dargestellten Tautologien genauso wie überflüssige Vorsilben, zum Beispiel in den Verben absinken, ansteigen, versterben.

Der folgende Satz ist unscharf:

› Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an weiteren Ermittlungen ab, sind nach Maßgabe der Umstände des jeweils zu beurteilenden Einzelfalles regelmäßig den Ermittlungsbehörden weitere Ermittlungen, die sich dann als wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen darstellen, nicht zumutbar. ‹

Prägnanter:

› Weigert sich der Fahrzeughalter erkennbar, an weiteren Ermittlungen mitzuwirken, sind diese in der Regel aussichtslos und damit den Ermittlungsbehörden unzumutbar. ‹

Schreibe strukturiert. Die inhaltliche Struktur eines Textes zeigt sich in seinem logischen Aufbau, also in einer sinnvollen Ordnung der Gedanken, im Großen wie im Kleinen. Strukturen sollten auch optisch erkennbar sein, damit man sich als Leser einfacher im Text zurechtfindet. Dies wird erreicht durch Haupt- und Zwischenüberschriften sowie dadurch, dass man Absätze als sinnvolle inhaltliche Einheiten bildet und Aufzählungen als solche darstellt: mit Aufzählungszeichen. Für Dissertationen und Masterarbeiten gilt insbesondere, dass man jedes Haupt- und größere Unterkapitel mit einem kurzen Zwischenfazit abschließt. Dies hilft den Gutachtern, ist aber auch wichtig zur eigenen Kontrolle (siehe meine Seite » Dissertation, Tipp Nr. 7).

Verführe zum Lesen. Innerhalb der seriösen Grenzen juristischer Texte können alle rethorischen Finessen genutzt werden. Man darf zum Beispiel ruhig mehr Satzzeichen verwenden als nur Punkt und Komma. Warum nicht eine Frage stellen? Auch ein Doppelpunkt kann mehr als nur Aufzählungen einleiten: Er kann den Leser in den nächsten Satz hinüberziehen. Bilder und Vergleiche machen den Text lebendiger, Spannung weckt Neugier, Zuspitzungen würzen.

Beispiel:

› Die Zweifel kamen 1994: Die sog. Cartier-Entscheidung des EuGH stellte eine jahrzehntelange Rechtsprechung des BGH zum wettbewerbsrechtlichen Schutz selektiver Vertriebssysteme infrage. 1997 beseitigte der BGH zunächst diese Zweifel, doch zwei Jahre später seine »ständige höchstrichterliche Rechtsprechung«. Was war geschehen? – Dreh- und Angelpunkt des wettbewerbsrechtlichen Schutzes war seit den 1960er Jahren die sog. Lückenlosigkeit des selektiven Vertriebssystems, ein Aspekt mit Wurzeln bereits in der Rechtsprechung des Reichsgerichts. […] ‹

VORSICHT bei Bildern und Redewendungen! Schiefe Sprachbilder und gekreuzte Redewendungen sorgen nicht selten für ungewollte Komik.

Je ein Beispiel:

  • › eine Flut von unverkäuflichen Immobilien ‹ – Das muss eine seltsam immobile Flut gewesen sein.
  • › Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht ‹ – Mach eins aus dreien:  1. Das schlägt dem Fass den Boden aus.  2. Das setzt der Sache/dem Ganzen die Krone auf.  3. Das ist ein Schlag ins Gesicht.

 

Fremde Inhalte

Gibt man fremde Textteile oder Gedanken wieder, sollte man Folgendes beachten: Bei übernommenen Inhalten wird die Quelle angegeben. Referiert werden sie (grds.) im Konjunktiv I („es werde …“), wörtlich wiedergegebene Passagen sind mit Anführungszeichen zu versehen. Wörtlich sollte man nur dann zitieren, wenn es auf den Wortlaut ankommt. Die, gar wörtliche, Übernahme fremder Inhalte ist in der Regel umso unnötiger, je länger diese sind.

 

Literatur-Tipps

Gute Stilkunden gibt es einige, darunter Klassiker wie diejenigen von Ludwig Reiners. Hilfreich sind auch diverse „Werkzeuge“ wie Wörterbücher oder Fehlerfibeln. Eine kleine Auswahl:

Neben dem Duden zur Rechtschreibung soll hier der Band » „Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle – Richtiges und gutes Deutsch“ hervorgehoben werden, der auch Nicht-Germanisten schnell zu Antworten führt.

Von ihm gibt es die kleine » „Stilfibel“ und die große » „Stilkunst“, beides weiterhin kenntnis- und erkenntnisreiche Werke.

Der, unter anderem, ehemalige Leiter der Hamburger Journalistenschule hat eine Reihe von Büchern zum Thema geschrieben. Beispielhaft genannt seien hier » „Deutsch fürs Leben“, » „Deutsch für Kenner“, » „Deutsch für Profis“ und » „Deutsch für junge Profis“. Gewürzt mit Zitaten, sorgen seine Bücher für viele Aha-Momente.

Allen vom Fach sei speziell die » „Kleine Stilkunde für Juristen“ empfohlen. Eine, auch kritische, fachbezogene Betrachtung von Stilfragen. Nicht nur inhaltlich stilvoll.

Das Büchlein » „Deutsch für Juristen“ richtet sich vorwiegend an Praktiker. Im Kapitel „Tipps für klares Deutsch“ gibt der Autor anhand vieler Beispiele einen Überblick darüber, was man allgemein und insbesondere als Jurist beachten sollte, will man verständlicher schreiben. Michael Schmuck ist Rechtsanwalt und Journalist.

Der Grammatikspezialist hat unter anderem ein hilfreiches Taschenbuch zu fehlerträchtigen Regeln der Grammatik geschrieben: » „Die 101 häufigsten Fehler im Deutschen“.

Von den vielen Ratgebern für gutes Texten sei beispielhaft » „Erfolgreich texten“ von Doris Märtin genannt. Es ist ein praktisches Lern- und Arbeitsbuch mit vielen Vorher-nachher-Beispielen, aus dem auch die vier Grundregeln für bessere Texte auf dieser Seite stammen.

Wichtige Grundlagen der Grammatik und Zeichensetzung lassen sich wiederholen und üben mit dem Buch » „Deutsch fürs Jurastudium“ von Monika Hoffmann. Die Autorin ist Sprachwissenschaftlerin und erklärt in 10 Lektionen, welche Regeln im Deutschen für juristische Texte besonders relevant sind, z.B. diejenigen zur indirekten Rede. Empfehlenswert: das Kapitel zur Kohäsion, also zum folgerichtigen Aufbau von Texten.